Kürzlich habe ich mit meinem Kumpel Jens ein Wochenende in Augsburg verbracht. Ziel unserer Reise war das Flying Elephant Cargo Bike Race . Weil Münster – Augsburg kein Katzensprung ist und man für ein Lastenradrennen auch Räder braucht, um mit diesen zu fahren, war relativ schnell klar: Wir fahren a) mit der Bahn (Fernverkehr) und nehmen b) dabei zwei Lastenräder mit. Und damit fing das Abenteuer an.
Vorne weg: Es war stressfreier als gedacht und die Probleme liegen eigentlich ganz woanders. Aber von Anfang an:
Die Bahn differenziert in ihren Beförderungsbedingungen für den Fernverkehr genau zwei Fahrradtypen: das “normale” Fahrrad (wie genau ist das eigentlich definiert?) und “besondere Fahrradtypen”. Hier werden als Beispiel Tandems oder Liegeräder genannt. Generell kommt man ohne Stellplatzreservierung fürs Rad im Fernverkehr sowieso nicht sehr weit, zumal wir uns als Reisezeitraum den Sommerferienbeginn in NRW ausgesucht hatten. Online lassen sich solche Tickets nach wie vor überhaupt nicht buchen, weshalb ein Besuch im Reisezentrum unumgänglich war. Hier wurde uns dann empfohlen, die Lastenräder als Tandems anzumelden und dafür zwei Tandemstellplätze zu reservieren. Gesagt getan, Tickets für uns und die Räder gebucht, Stellplätze reserviert. Konnte los gehen.
Unsere Hinfahrt war mit Übernachtungsstopp zweigeteilt. Freitagnachmittags ging es zunächst nach Karlsruhe, von dort aus dann samstags früh weiter nach Augsburg. Die Rückfahrt war dann für Sonntagmittag geplant.
Zum Gleis
Der Transport zum Gleis war dank passender Aufzüge an fast allen Bahnhöfen kein Problem. Ein aufwändiges Gepäck-ausladen-und-dann-alles-einzeln-die-Treppe-hoch-tragen konnten wir uns sparen.
Einzig in Karlsruhe haben wir uns für die Rolltreppe entschieden. Ein Aufzug wäre auch da gewesen, allerdings hätten wir dafür eine komplette Runde durch die Tunnel auf die andere Seite des Bahnhofs drehen müssen.
In den Zug
Das Einsteigen in den Zug war da schon deutlich spannender. Man muss an dieser Stelle dazu sagen, dass wir jung und dynamisch sind, wissen was wir tun, die Räder beide nur ~18kg wiegen und wir kaum Gepäck hatten. Das, was für uns zu zweit kein Problem darstellte, dürfte für viele andere durchaus eins sein.
Während der eine Intercity eine ausreichend breite Tür mit direktem Zugang zum Abteil hatte (Einsteigen war unkompliziert), hatten wir auf der Rückfahrt das Problem, das alle Räder durch eine schmale Tür und noch ums Eck gebracht werden mussten.
Gleichzeitig mit uns stieg dort auch noch eine Gruppe Rentner mit ihren Doppelakku-E-Bikes inklusive Gepäcktaschen ein. Für die war es alleine unmöglich, die Räder (~30kg) 1. die Stufen hoch, 2. durch die schmale Tür und 3. um die enge Ecke zu bugsieren. Das Ganze hat nur relativ schnell und unkompliziert geklappt, weil wir gemeinsam mit den anderen Radfahrenden angepackt haben. Behilfliches Bahnpersonal: weit und breit nicht zu sehen.
Im Zug
Als Erstes hieß es dann, die reservierten Stellplätze zu finden. Offensichtlich sieht die Bahn hierbei vor, dass “besondere Fahrradtypen” jeweils die hängenden Stellplätze bekommen sollen. Laut Reservierungsnummer sollten nämlich genau diese in allen Intercitys unsere Plätze sein. Ich frage mich ernsthaft, wie man ein Tandem sicher in einen dieser Haken hängen soll, geschweige denn ein Lastenrad. Kurz um: Wir haben mit anderen Radfahrenden die Plätze getauscht, bzw. es war sonst noch genug Platz da. Ein weiterer Mitfahrender war mit Liege-Trike unterwegs und erfahrener im Rad+Bahn-Reisen. Auch er hatte anfangs immer einen Stellplatz für einen “besonderen Fahrradtyp” gebucht und die hängenden Plätze zugewiesen bekommen. Inzwischen sei er dazu übergegangen, einfach für zwei “normale” Fahrräder zu reservieren, das klappe deutlich besser. Das wäre an dieser Stelle auch mein Tipp: Reserviert für ein (einspuriges) Lastenrad zwei normale Fahrradstellplätze, das macht vieles einfacher.
Und hier wird dann das eigentliche Problem deutlich, dass die Bahn mit Fahrrädern im Fernverkehr hat: Das perfekte Rad für so eine Reise ist eigentlich ein Singlespeed, an dem keine Anbauteile kaputt gehen können, mit 23mm Reifen, einer maximalen Lenkerbreite von 40cm und einem Gewicht von <10kg. Mit allem anderen sind die Fahrradabteile und Halterungen mehr oder weniger überfordert. Auf der zweiten Etappe von Karlsruhe fuhr der Intercity weiter nach München. Weil es von da aus nicht mehr weit bis in die Alpen ist, hatten wir auf diesem Stück eine Gruppe Mountainbiker dabei. Genau 1 von 10 Rädern hat mit der Reifenbreite in die Halterung gepasst und nein, es waren keine außergewöhnlichen Fatbikes dabei. Die Fahrradabteile bieten darüber hinaus wenig Platz zum Rangieren oder für eine adäquaten Lagerung von Gepäcktaschen etc.
Dass wir relativ anspruchslos sind, was unseren eigenen Komfort auf so einer Bahnfahrt angeht, war außerdem von Vorteil. Da kommt man dann auch schon mal damit klar, zwei Stunden mehr oder weniger zugedeckt von Taschen auf dem Boden zu sitzen.
Grundsätzlich war das Zugpersonal bei uns übrigens sehr entspannt und wohlwollend gegenüber den Lastenrädern. Uns wurde zu keinem Zeitpunkt irgendetwas Negatives entgegen gebracht. Es gab lediglich den Hinweis, wir sollten auf die Räder achten und den anderen Mitreisenden helfen. Auch als es sehr voll wurde, blieb das Zugpersonal entspannt. Eine Zugbegleiterin gestand sogar ein, dass die Situation in den Zügen für Räder (nicht nur Lastenräder) eine Katastrophe sei.
Die Umstiege
Wie gesagt, die oben beschriebenen Situationen waren für uns alle verhältnismäßig aushaltbar, wir waren zumindest da in keiner Situation gestresst oder hattem mit Schlimmerem gerechnet. Die eigentliche Nerverei ging dann allerdings mit Umstiegen, Verspätungen und verpassten Anschlüssen los. Und damit ist man dann im ganz normalen Fernverkehrswahnsinn der Bahn angekommen, wo es keine Rolle mehr spielt, ob man nun 2 Lastenräder dabei hat, oder nur einen Jutebeutel. Dennoch waren wir auch hier relativ entspannt, da wir zu jeder Zeit noch mehrere Alternativen hatten und keinen wirklichen Zeitdruck. Genervt hat es aber trotzdem.
Auf dem Rückweg, hatte es dann sogar einen Vorteil, dass wir die Räder dabei hatten. Unser Intercity kam nämlich verspätet in Kassel-Wilhelmshöhe an, wir hatten laut Plan noch 3 Minuten für den Umstieg. Dank einiger äußerst autozentrierter Architekten der 80er Jahre, gibt es an diesem Bahnhof lange Rampen zu jedem Gleis. Ursprüngliche Idee: Man kann mit dem Auto direkt bis an den Zug fahren. Auf Grund von Gleisänderungen, falschen Ansagen und allgemeiner Verwirrung sind wir diese dann wie die Bescheuerten mehrere Male rauf und runter gefahren, um vielleicht doch noch den Anschluss zu bekommen. Ende vom Lied: ein völlig überfüllter Regionalexpress ist abgefahren, obwohl noch ca. 200 Fahrgäste, inklusive uns, am Bahnsteig standen. Der nächste Zug fiel dann passenderweise auch noch aus. Dieses Hin und Her zu den Gleisen wäre an dieser Stelle ohne Räder überhaupt nicht so schnell möglich gewesen und viele Fahrgäste sind zu Fuß hin und her gerannt, nur um am Ende doch nicht mitzukommen.
Weil wir dann keine Lust hatten, zwei Stunden bei bestem Wetter am Bahnhof rumzusitzen, sind wir kurzentschlossen per Rad weiter nach Warburg zum nächsten Anschluss gefahren. Wir wissen dann jetzt auch, was es mit der WilhelmsHÖHE auf sich hat. Das Wetter war aber sensationell und die kleine Ausfahrt hat sich gelohnt!
Fazit
Schlussendlich kann ich sagen, dass diese Reise deutlich stressfreier verlief als gedacht, vielleicht auch weil wir mit dem Schlimmsten gerechnet haben (Rausschmiss aus dem Zug nach der ersten Station). Dass es so gut funktioniert hat, lag dabei im Wesentlichen daran, dass wir uns mit den leidgeplagten anderen Radfahrenden gut verstanden und arrangiert haben, selbst wenig Ansprüche an unseren eigenen Reisekomfort hatten und mit sehr pflegeleichten Lastenrädern und wenig Gepäck unterwegs waren. Außerdem war uns das Zugpersonal jeweils freundlich gesonnen und wir waren ohne großen Zeitdruck sowie außerdem flexibel unterwegs.
Wer mit einem schwereren oder sogar mehrspurigen Rad auf Reise gehen will, möglicherweise Familie (mit Kindern) und Gepäck für mehr als zwei Tage dabei hat, wird vor deutlich größeren Problemen stehen.
Diese Reise hat mir gezeigt, dass es nicht mal ein Lastenrad braucht, um die Deutsche Bahn im Fernverkehr an ihre Kapazitätsgrenzen zu bringen. Ein- und Ausstieg, Türbreiten, Stellflächen, Halterungen, Organisation, Ticketbuchung und Reservierung: Das sind alles Dinge, die meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß behandelt werden und wo in naher Zukunft dringender Handlungsbedarf besteht. Wer Menschen dazu bringen möchte, auch für längere Reisen oder für den Weg in den Urlaub, das Auto stehen zu lassen, der muss erheblich mehr für einen reibungslosen Transport von Fahrrädern tun. Und zwar im Idealfall so, dass beispielsweise auch eine Familie mit Kindern und Gepäck problemlos und komfortabel mit Lastenrad in den Urlaub fahren kann. Autozüge gibt es ja auch (wenn auch teilweise echt absurd), wieso sollte sowas dann nicht auch für Autoersatz funktionieren?
Im Regionalverkehr war das alles übrigens super einfach und vollkommen unkompliziert.
Meine Empfehlung an dieser Stelle ist, dass man sich sehr gut überlegen sollte, wie und ob eine Reise im Fernverkehr mit Lastenrad möglich ist, welche Probleme auftauchen könnten und wie diese zu lösen sind. Außerdem sollte ausreichend zeitlicher Puffer eingerechnet werden, vor allem bei Umstiegen (wenn man das nicht sowieso schon immer tut: Verspätungen, auf die man sich verlassen kann!). So oder so, es scheint sehr viel weniger in der eigenen Hand zu liegen, ob so eine Reise gelingt, als man denkt.
Weitere Beiträge mit Erfahrungen und Tipps zum Cargobiketransport in der Bahn könnt ihr bei Arne und Jan nachlesen.