pedalkultur

Mein Lastenrad und ich, wir zwei

Ich werde immer häufiger gefragt, ob ich mein Lastenrad, ein Larry vs Harry Bullitt, empfehlen würde bzw. warum ich mich für dieses Modell und für welche Anbauteile entschieden habe. Der Einfachheit halber schreibe ich deshalb meine Beweggründe zu dieser Entscheidung an dieser Stelle mal zusammen. Achtung: Tech-Talk Alarm!

Wie ich überhaupt dazu kam, Lastenrad zu fahren liest man hier, wie das erste Jahr war, liest man hier.

Ich habe mir damals ein Bullitt-Rahmenset gekauft und dieses selbst aufgebaut. Zunächst erstmal günstig, was das studentische Budget so hergibt, später dann nach und nach Teile ausgetauscht und das Rad mit der aktuellen Wunschausstattung aufgebaut.

Der Rahmen

Ich habe mich für ein Bullitt entschieden, weil ich die Flexibilität des Rades sehr schätze. Ehrlicherweise hatte ich mir zu diesem Zeitpunkt wenig Gedanken um Alternativen gemacht und kannte mich auf dem Lastenradmarkt auch nicht sonderlich gut aus. Jetzt, fast drei Jahre später, habe ich einen deutlich besseren Überblick, bin sehr viele Modelle gefahren und kann nach wie vor sagen: für meine Zwecke ist das Bullitt das richtige Rad. Ich habe genug Platz, um das Rad im Keller abzustellen, es ist zwar kein Leichtgewicht, aber es ist für mich problemlos auch über Treppen tragbar. Einen Motor habe ich hier im Flachland noch nie vermisst und ich liebe die Flexibilität der Ladefläche ohne seitliche Rahmenrohre. Problemlos Dinge zu laden, die breiter als die Ladefläche selbst sind, ist für mich der unschlagbare Vorteil des Rades. Zumindest für 90% meiner Einsatzzwecke. Die restlichen 10% sind Cargo Bike Races. Dieses Jahr bin ich einige davon mit einem Cargo Bike Monkeys* Radlader gefahren und muss sagen: Dieses Rad ist einfach nochmal 8-10 kg leichter als ein Bullitt und damit unter Rennbedingungen schlicht weg schneller (Wenn ich mir ein zweites Rad kaufen würde: Es wäre ein Monkey.)

Da ich von Anfang an wollte, dass möglichst viele mein Rad fahren können und ich es auch mit Familie und Freunden teile, sollte es möglichst flexibel und schnell an verschiedene FahrerInnen anpassbar sein. Deshalb gibt’s nen Schnellspanner an der Sattelstütze und einen Speedlifter am Lenker, um Sattel- und Lenkerhöhe an verschiedene Sitzpositionen anpassen zu können.

13 Säcke Grünschnitt? Kein Problem.

Die Schaltung

Ich habe eine Shimano XT Gruppe verbaut. Diese ist aber keine der Bullitt-Standard Garnituren, sondern aus Einzelteilen zusammen gesetzt. Größter Unterschied zur “normalen” Ausführung: Ich habe mich für eine 3-fach Trekkingkurbel mit 48/36/26 Kettenblättern entschieden, anstatt der 38/28-2-fach-Kurbel. Hinten gibt’s ne normale 10-fach 36/11 Kassette. Grund dafür ist, dass ich eine möglichst große Bandbreite an Übersetzung haben wollte. Auf der einen Seite die dicken Gänge, um flach ordentlich Gas geben zu können (z.B. bei Rennen), auf der anderen Seite kleine Gänge, um im Bergischen Land und auf Reisen auch Steigungen komfortabel hoch zu kommen. Sonst muss man zu XT glaube ich nicht viel sagen, die rennt und rennt und rennt.

Die Bremsen

Passend zur Schaltung sind hydraulische Shimano XT Scheibenbremsen mit 180er Rotoren verbaut. Solide 2-Kolben Bremse, die mir noch nie irgendwelche Probleme bereitet hat. Greift zu wie Anker werfen. Bei den Bremshebeln habe ich auch wieder die Trekkingvariante (mit längerem Hebel) genommen. Hier kommt wieder das jedeR-soll-drauf-fahren-können ins Spiel. Die 2-Finger MTB Hebel mögen für manche zu kurz sein.

Die Laufräder

Die erste Ausstattung an Laufrädern waren hinten ein MTB Laufrad mit 32-Loch Felge und eine ultrabreite BMX-Felge vorne. Beides günstig gebraucht geschossen, aber nicht wirklich auf den Dauereinsatz in einem Lastenrad ausgelegt. Nach gut 2000 km ist mir dann (möglicherweise auch auf Grund von der beschissenen Radwegebeschaffenheit in Münster) die hintere Felge gerissen. Also musste Ersatz her.
Inzwischen fahre ich vorne und hinten eine Ryde Andra 10 bzw. 30 Felge, beide 36-Loch. Die Speichen sind dabei nix besonderes. Hinten läuft eine XT Nabe, vorne ein SON 28 Nabendynamo. Im Winterhalbjahr fahre ich Schwalbe Marathon Reifen, im Sommer wechsel ich auf Kojaks.

Die Lichtanlage

Am Anfang gab es Stecklicht, was mich aber schnell genervt hat, weil man das auch ständig vergisst. Dann kam (in Ermangelung eines Dynamo) festes Akkulicht ans Rad: Vorne Busch & Müller Eyro, hinten Secula. Die haben auch eigentlich ganz anständig funktioniert. Mit Umrüstung auf SON Nabendynamo kam dann aber “richtiges” Licht ans Rad. Und das ohne Kompromisse: Frontscheinwerfer ist die Busch & Müller IQ-X die mit 100 Lux schon ordentlich leuchtet, hinten nach wie vor eine Secula, nur halt mit direktem Strom anstatt Akku. Das Rücklicht ist dabei übrigens an der Sattelstrebe montiert und nicht am Schutzblech, weil ich diese im Sommer auch gerne mal (aus optischen Gründen) abmache.

Die Ladefläche

Bei der Ladefläche habe ich mich für ein leichtes, dünnes Aluboard entschieden. Als einzigen “Aufbau” habe ich einen Standard Mörtelkübel aus dem Baumarkt, zu dem ich mir selbst aus wasserdichtem Stoff ein Regenverdeckt genäht habe. Das lässt sich mit Spanngummis einfach düber ziehen und so kommen Einkäufe auch trocken nach Hause. Im Alltag fahre ich sonst aber auch häufig ohne Kiste durch die Gegend. Ich nutze den großen Messenger Bag von Ortlieb (wasserdicht), der wird gegen runterrutschen mit einem alten Fahrradschlauch gesichert. Ansonsten fahren auch immer ein paar Spanngurte mit. Als sehr hilfreich erachte ich die Panelbags von Fahrer Berlin*, die sind passend fürs Bullitt gebaut, sind eine ausgezeichnete “Rückwand” zur Ladefläche und bieten genug Platz fürs Schloss (inkl. eigener Halterung) und eben Spanngurte und Kleinkram.

selbstgenähtes Regenverdeck für den Mörtelkübel
Panelbags

Sonstige Komponenten

Die Pedale sind im Alltag ganz normale Flat Pedals. Wenn es mit dem Rad auf Reisen geht oder Rennen gefahren werden, wird auf Klickpedal bzw. Kombi-Klick umgebaut. Ebenfalls für Reisen werden auch noch Flaschenhalter und Inner-Barends montiert, die fahren im Alltag sonst nicht mit. Der Rest ist nichts besonderes.

Fazit

Das sind meine Beweggründe warum und weshalb ich mein Lastenrad so fahre wie ich es fahre, eben mit der für mich idealen Ausstattung. Es gibt dabei übrigens kein “richtig” oder “falsch”, sowohl bei der Ausstattung, als auch beim Lastenradmodell, sondern immer nur das richtige oder falsche Teil für den jeweiligen Einsatzzweck. Ich wohne im Flachland, bin gesund, fit, habe genug Platz im Keller und habe z.B. keine Kinder. Sollte sich an diesen Rahmenbedingungen etwas ändern, müsste ich mir wahrscheinlich neue Gedanken machen, ob das Setup wie es aktuell ist, weiterhin funktioniert oder ob es vielleicht sogar ein ganz anderes Modell werden kann/soll/muss. Denn eins ist sicher: ein Leben ohne Lastenrad ist eigentlich nicht mehr vorstellbar!

*Werbung, unbezahlt (keine Ahnung wie das läuft, aber ich glaube das muss man markieren oder so)