Na? Clickbait funktioniert doch super oder? Wenn ich das hier in meinem kleinen Nischenblog mache, interessiert das auch keinen. Doof wirds, wenn Medien damit zur Meinungsmache beitragen.

Trauriges Beispiel ist leider immer wieder der lokale Radiosender Antenne Münster. Auf seiner Homepage erklärt der Sender selbst, zu seinen Stärken zähle die “lokale Kompetenz” weshalb lokale Themen in den Mittelpunkt des Programms gestellt werden. Eins dieser Themen ist zweifelsohne der Radverkehr in der “Fahrradhauptstadt” Münster. Hier scheint es aber so, dass die Readaktion wenig wert auf ausgewogene Berichterstattung legt, geschweige denn Inhalte nachrecherchiert.

Aktuelles Beispiel ist die Diskussion um das Münster Barometer der Westfälischen Nachrichten. Aus Befragungen von Verkehrsteilnehmern wurde die gefühlte Sicherheit der Radfahrenden ermittelt. Ebenso wurden Noten für das Verhalten der Verkehrsteilnehmer vergeben. Hier wurden sowohl Radfahrer (Note 3,79) als auch Autofahrer (Note 3,15) sehr schlecht in ihrem Verhalten im Straßenverkehr bewertet. Was die Sicherheit angeht zeichnet sich folgendes Bild:

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Quelle: Münster Barometer, Westfälische Nachrichten am 22.04.2017

Rechnet man das grob zusammen, so fühlen sich knapp 75% der Radfahrer in Münster sicher, 20% bewerten ihr Sicherheitsgefühl immernoch mit “ausreichend”. Bleiben am Ende lediglich 5% die sich “unsicher” oder “sehr unsicher” fühlen. Ja, die Befragung ist schlechter ausgefallen als 2005 und die Gründe dafür sind vielfältig und werden hier ggf. an anderer Stelle nochmal erörtert. Nichts desto trotz lässt sich anhand dieser Zahlen feststellen: die Mehrheit der Münsteraner Radfahrer fühlt sich sicher.

Da diese Tatsache für Antenne Münster scheinbar zu langweilig war, verbreiten sie auf Facebook folgende Headline:

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Screenshot der Antenne Münster Facebookseite vom 22.04.2017

Auf einmal fühlen sich die Radfahrenden unsicher? Weder in diesem Beitrag, noch in dem verlinkten Artikel auf der Homepage werden die Zahlen genannt, die das Münster Barometer erhoben hat. Konsequenz: Selbstverständlich wird in den Kommentarspalten sofort ein Shitstorm über “die bösen Radfahrer” losgetreten, weil die Meisten sofort wissen, warum die Unsicherheit auf münsters Straßen zugenommen hat (was ja tatsächlich nur minimal der Fall ist). Rüpelradler die drängeln, rasen, über Rot fahren und sich ihre eigenen Regeln bauen. Das sich immerhin 75% aller Radfahrenden sicher fühlen? Wird ausgeblendet. Das auch das Verhalten der Autofahrer miserabel bewertet wurde. Nicht erwähnt. Die Gründe, warum es zu diesen Konflikten kommt? Interessiert nicht. Mögliche Lösungsansätze wie die Sicherheit für alle erhöht werden kann? Dazu müsste recherchiert werden.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass derartige “Berichterstattung” gegen Radfahrende gezielt eingesetzt wird:

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Screenshot der Antenne Münster Facebookseite vom 13. Juli 2016

Es ging in dieser Debatte nie darum rote Ampeln für Radfahrende abzuschaffen. Es ging lediglich darum, einen Grünpfeil für Rechtsabbieger einzuführen. Dieser ist übrigens international seit Jahren erprobt und umgesetzt. Informationen dazu hier, hier, hier und hier. Die Reaktionen waren natürlich die üblichen Hass-gegen-alle-Radfahrer-Kommentare, “die sich sowieso nie an Regeln halten und jetzt auch noch über Rot fahren sollen!!!!!11111elf”. Zum Glück gab es auch reichlich Contra, die Community wies auf die Verdrehung der Tatsachen hin, postete Artikel und Beiträge die den Zusammenhang erläutern. Es wäre also keine weitere Recherer mehr nötig gewesen, um den Sachverhalt kritisch und neutral zu beleuchten bzw. die vorher ausgelassenen Informationen nachzureichen. Stattdessen wird einen Tag später im gleichen Stil weiter gemacht. Ergebnis: Noch ein Shitstorm gegen Radfahrer.

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Screenshot der Antenne Münster Facebookseite vom 14 Juli .2016

Ein Radiosender, der seine eigene Kernkompetenz im Vermitteln von lokalen Themen sieht und gleichzeitig dafür sorgt, dass in regelmäßigen Abständen gegen 40% der münsteraner Bevölkerung gehatet wird, ist schlicht und ergreifend ein Armutszeugnis.